Gedeckelte Gesundheit

Ein Globalbudget wird zurzeit als das Heilmittel für die überschiessenden Gesundheitskosten gehandelt. Die Befürworter verkennen jedoch, dass dies juristische, volkswirtschaftliche und psychologische Nachteile zur Folge hätte.

Alle im Bundesrat vertretenen Parteien befürworten zurzeit Eingriffe für eine Kosteneindämmung und Kostensenkung im Gesundheitswesen. Während beispielsweise die CVP im Oktober eine Initiative für eine Kosten- und Prämienbremse lancieren will, möchte die SP die Prämien auf zehn Prozent des Einkommens beschränken. Auch die Regierung nimmt sich des Themas an. Eine vom Bund eingesetzte Expertengruppe schlägt vor, in der Schweiz umfassende Globalbudgets zur Deckelung der Gesundheitsausgaben einzuführen. Diese Massnahme soll dazu beitragen, das Kostenwachstum in den Griff zu bekommen.

Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen aber, dass ein Globalbudget vor allem drei gewichtige Nachteile mit sich bringt: juristische, volkswirtschaftliche und ein beschädigtes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient.

Globalbudget ist wesensfremd für Versicherungen
Das juristische Problem ist der Widerspruch, der zwischen einem Globalbudget und Artikel 117 der Bundesverfassung besteht. Letzterer verpflichtet den Bund, eine Krankenversicherung einzurichten. Und eine Versicherung zeichnet sich eben dadurch aus, dass sie eine bestimmte Leistung bei Eintritt des befürchteten Ereignisses erbringt. In diesem Sinne ist ein Globalbudget für eine Versicherung wesensfremd, wie der St. Galler Rechtswissenschaftler Ulrich Kieser jüngst an einem gesundheitspolitischen Seminar zum Thema Globalbudget erklärte.

Das Globalbudget darf also die Leistungspflicht nicht einschränken, das hat das Bundesgericht mehrmals bestätigt. Was wäre denn, wenn das Globalbudget ausgeschöpft ist? Der Leistungsanspruch des Patienten darf jedenfalls nicht begrenzt werden. Also müsste eine Korrektur über die Entschädigung der Leistungserbringer erfolgen. Dies wiederum dürfte aber nur im Rahmen des Rechtsgleichheitsgebots und des Willkürverbots geschehen. Rechtlich öffnet sich hier ein weites Feld.

Jedes Kriterium hat seine Tücken
Volkswirtschaftlich wirft das Globalbudget eine Frage auf, welche unsere Nachbarländer in 20 Jahren nicht beantworten konnten: An welchen Kriterien soll das Globalbudget ausgerichtet werden? Jedes birgt seine Tücken. Meist wird das Lohn- oder Wirtschaftswachstum als Referenzgrösse beigezogen. Aber dann schlägt eine Rezession voll auf das Gesundheitswesen durch. Und warum soll das Gesundheitswesen überhaupt nur in jenem Masse wachsen wie die Wirtschaft?

Differenziert man hingegen wie in Deutschland nach geographischen Kriterien, riskiert man, ineffiziente Versorgungsstrukturen zu erhalten. Hinzu kommt der Föderalismus: Die Kantone prägen die Gesundheitspolitik wesentlich, wobei die Stadt- und Landkantone jeweils sehr unterschiedliche Interessen verfolgen. Egal welches Kriterium man wählt: Die Orientierung am medizinischen Behandlungsbedarf geht so oder so verloren.

Patienten fühlen sich willkürlich behandelt
Der dritte Schwachpunkt eines Globalbudgets in der Medizin wiegt eigentlich am schwersten: Es schadet dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten. Erfahrungen aus Deutschland und Italien belegen, dass sich Patienten bei gedeckelten Budgets schnell der Willkür ausgesetzt fühlen. Kein Wunder, sind doch beispielsweise Terminverschiebungen ins Folgequartal ein gängiger Mechanismus in solchen Systemen. Indikationen werden aus Budgetgründen gemacht. Die Patienten merken, dass der Arzt bei der Behandlung durch die ökonomische Brille blickt – viel mehr, als dies heute schon der Fall ist. Böse Zungen sagen sogar: «Das Globalbudget führt dazu, dass derjenige wirtschaftlich ist, der es schafft, sich von der Versorgung kranker Menschen fernzuhalten.» Ein politischer Eingriff mit solchen Auswirkungen ist höchst fragwürdig.

Negative Erfahrungen in Deutschland
Die Erfahrungen unserer Nachbarländer mit einem Globalbudget oder ähnlichen Massnahmen zur Kosteneindämmung lassen wenig Hoffnung. In Deutschland beispielsweise versucht man mit dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität die Menge der unnötig erbrachten Leistungen in den Griff zu bekommen. Das gelingt nicht, weiss der Jurist Rainer Hess, der seit bald vier Jahrzehnten im deutschen Gesundheitssystem tätig ist. Dafür entwickelte sich eine Kultur, welche weder den Patienten noch den Leistungserbringern zu Gute kommt.

Ein schlechter Reformvorschlag
Ohne irgendeine Form von Mengensteuerung sind die steigenden Kosten im Gesundheitssystem wohl schwer in den Griff zu bekommen. Aber der Vorschlag, im Gesundheitssystem Globalbudgets einzuführen, führt zu rechtlichen, sozialen und ökonomischen Unsicherheiten und ist deshalb ein schlechter Reformvorschlag. Zumal die Erfahrungen von Experten, welche mit solchen Systemen gearbeitet haben, darauf hindeuten, dass die Effekte des Globalbudgets auf die Gesamtkostenentwicklung nicht belegt sind. Besser wäre es, das System auf eine Weise zu reformieren, welche Ärztinnen und Ärzte in ihrer Professionalität stärkt. Dazu ist es aber unerlässlich, dass diese in wichtigen politischen Fragen geschlossen auftreten.

Bildlegende

Deckel drauf! Das Globalbudget soll die stetig wachsenden Gesundheitskosten eindämmen. Es droht die Rationierung von medizinischen Leistungen. (Bild: iStockphoto)

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